Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien in der Krise

Eigentlich sollte man meinen, dass in Zeiten von Banken- und Börsenkrise die Wirtschafts- und Finanzpresse zur Höchstform aufläuft. So logisch diese Schlussfolgerung auch klingen mag, so falsch muss sie doch sein, wirft man einen Blick auf die aktuellen Ereignisse bei dem größten europäischen Presseverlag Gruner & Jahr.

Die Macher von Börse Online, Capital, Impulse und Financial Times Deutschland werden ihrer bislang dezentral organisierten Redaktionen zu Gunsten einer Gemeinschaftsredaktion fast schon entledigt. Die bisherigen Standorte München und Köln werden geschlossen, die bisher rund 250 Personen starke Redaktion in verminderter Personalstärke am Standort Hamburg zusammengeführt. Das erklärte Ziel der Verlagsleitung, eine Gemeinschaftsredaktion an einem Standort zusammenzuführen, soll vor allem dazu beitragen Kosten zu sparen. Zu teuer sei die aktuelle Struktur, zu gering das Anzeigenaufkommen, um Anforderungen der Zukunft tatsächlich gewachsen zu sein.

Mehr als die Hälfte der Redakteure verliert ihren Arbeitsplatz

Zum Auftakt der Neuorganisation erhalten zunächst alle betroffenen Mitarbeiter die Kündigung, im Rahmen des folgenden Sozialplans werden dann diejenigen bestimmt, die weiterhin für das Verlagshaus am neuen Redaktionsstandort arbeiten dürfen. Insgesamt 60 der aktuell 110 Redakteure werden in Hamburg keine Zukunft mehr erhalten, die Redaktion soll am neuen Standort deutlich effizienter als bisher arbeiten. Ob die Kunden solche radikalen Maßnahmen zu schätzen wissen, bleibt abzuwarten – bislang galten die Gruner & Jahr Wirtschaftspresse Medien als ebenso unabhängig wie gründlich in der Recherche ihrer Beiträge.

Auch wenn das nicht unbedingt dem Zeitgeist entsprach, waren Kunden doch vor allem deswegen bereit vergleichsweise höhere Preise für Anzeigen zu bezahlen. Scheinbar hat die Finanzkrise aber zu einem dramatischen Rückgang des Anzeigenaufkommens bei allen Titeln und insbesondere bei Financial Times Deutschland geführt, so dass eine solch drastische Maßnahme als letzte Rettung für das Management erschien. Somit bliebe in absehbarer Zeit neben Wirtschaftswoche das ebenfalls der Holtzbrinck Unternehmensgruppe angehörige Handelsblatt als letzte Bastion des qualitativ anspruchsvollen Wirtschaftsjournalismus mit unabhängigen Redaktionen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart.