23-and-me – Verkauf des letzten Geheimnisses

Das menschliche Wesen ist ein wahnsinnig komplexes Gebilde und dennoch ist die Entschlüsselung des Erbgutes vor wenigen Jahren gelungen. Im Jahr 2003 gelang die vollständige Analyse der nur 23 menschlichen Chromosomenpaare – welche Wirkung sich aus dem Zusammenspiel oder gar der Veränderung einzelner Chromosomen ergibt ist allerdings nach wie vor weitgehend unerforscht.

Perfektion birgt das Risiko der immerwährenden Wiederholung

Es wird, so ist anzunehmen noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern bis auf die wesentlichen Fragen Antworten und in der Folge Lösungen gefunden worden sind. Für Forscher ist es unentdecktes Gebiet, Neuland, für Kranke ein Segen, für so manchen jetzt Lebenden eine Zukunft voller Frankensteins. Zukünftig werden Gesundheitsstörungen oder Missbildungen könnten zukünftig auf eine genetische Ursache zurückgeführt werden und Schritt für Schritt gegenüber „gesunden“ Genen reduziert werden. Das perfekte gesunde Baby, designed nach den Wünschen der Eltern, wird Standard. Ist das schlimm? Schon. Die Natur entwickelt sich nicht nur weiter, sie schafft immer neue und verbesserte Varianten durch die Kombination verschiedenster Gene. Konzentriert man nur bereits bekannte Bestandteile einer Sache wird sie nicht nur austauschbar, sie verliert auch die Fähigkeit als Rezept gegen neue Herausforderungen zu wirken. Wie das gemeint ist? Ein Blick auf seit Generationen reinrassig gehaltene Hunderassen gibt Aufschluss. Diese Tiere sind perfekt nach einem festgelegten Maßstab – aber auch häufig krank und nicht selten sehr eigen in ihrem Verhalten.

Was das alles mit 23 and me zu tun hat? Dieses Unternehmen bietet als erstes wirklich ernst zu nehmendes Unternehmen Reihen Gentest an. Man schickt eine Probe seines eigenen Erbmaterials in einer der 23andme Boxen per Post an 23andme, überweist 999 USD und bekommt eine Analyse seines eigenen Erbguts auf dem aktuellen Stand der Medizintechnik, was bis zu diesem Zeitpunkt keinen großen Unterschied zu einer medizinisch erforderlichen Genanalyse macht.

Networking auf Basis des eigenen Erbguts

Interessant wird es dann bei der Verwendung der Daten. 23andme bietet über eine Genanalyse Datenbank die Möglichkeit die Analyse des eigenen Erbgutes mit dem anderen Kunden des Unternehmens zu vergleichen. So können genetische Gemeinsamkeiten bzw. Verschiedenheiten gefunden und nebenbei ein auf den Genen basierendes Netzwerk geknüpft werden. Ein bisschen Xing auf Basis des Erbguts. Die Datenverwertung erfolgt nicht nur durch den Kunden, sondern auch durch das Unternehmen. Anonymisierte Daten werden an die Pharmaindustrie veräußert, die auf diese Weise sehr einfach an eine breite Auswahl genetischer Probanten zurückgreifen kann ohne sich die Mühe zu machen diese Personen ausfindig zu machen, im Gegenteil, die Probanten zahlen sogar noch Geld dafür, dass Informationen über ihr Erbgut vermarktet werden.

Das hilft auch zur Früherkennung schwerer Krankheiten und hilft andere menschliche Unzulänglichkeiten auszugleichen? Bestimmt, wohin ein Gedanke es „besser zu machen“ führen kann haben diverse Despoten in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder deutlich vor Augen geführt. Es gibt Dinge, die niemand gedankenlos von sich preisgeben sollte – schon gar nicht, wenn der Geldgeber von 23andme Google heißt.